Die Entstehung eines Films an einem ungewöhnlichen Ort:
Der Dokumentarfilm "Solitude"


Der Anfang eines Dokumentarfilms

Bereits im Jahr 2009 beschlossen die Akademie Schloss Solitude und die Filmakademie Baden-Württemberg eine kreative Kooperation. Aufhänger war das 20. Jubiläum der Akademie Solitude, das im Jahr 2010 stattfinden würde. Der Gründer und Leiter der Akademie Jean-Baptiste Joly wählte den Dokumentarfilmer Marcel Wehn, einen Alumnus der Filmakademie in Ludwigsburg, als Regisseur für das Projekt aus.


Von Seiten der Filmakademie unterstützte Thomas Schadt das Projekt durch aufwendige technische Beistellungen. Idee und Konzept von "Solitude" war von Anfang an, ein Jahr Leben und Arbeit an der renommierten Künstlerresidenz einzufangen.


Recherche und Entscheidung für die Protagonisten

Im Sommer 2009 verbrachte Marcel Wehn zur Recherche als Stipendiat drei Monate auf Schloss Solitude, um die Abläufe und Lebensweisen dieses ungewöhnlichen Ortes kennen zu lernen. Anhand der Übersicht über die zukünftige Stipendiatengeneration wurden vier Protagonisten für den Film präferiert, wobei die Kriterien hierbei die Unterschiedlichkeit der künstlerischen Wirkungsfelder sowie eine internationale Herkunft der Stipendiaten waren.

Für den Film angefragt wurden schließlich die philippinisch-amerikanische Bildhauerin Lan Tuazon, der französische Schriftsteller Martin Page, der iranische Theaterregisseur Hamed Taheri und der Stuttgarter Designer Demian Bern. Alle vier Stipendiaten stimmten dem Projekt zu. Zur gleichen Zeit beschloss die MFG-Filmförderung den Film zu unterstützen, und der SWR entschied sich zu einem Lizenzeinkauf des fertigen Films. Unterstützt wurde die Produktion des Films durch die SWR-Redakteurin Simone Reuter aus der Redaktion Kultur und Gesellschaft.


Die Dreharbeiten zwischen Oktober 2009 und Juli 2010

Im Oktober 2009 begannen mit der Ankunft der neuen Stipendiatengeneration die Dreharbeiten zum Film. Der Kameramann Daniel Möller und der Regisseur Marcel Wehn wohnten selbst während der Dreharbeiten auf Schloss Solitude, um auf diese Weise Teil des Innenlebens der Künstlerakademie zu werden.

Die ersten Monate wurden vorwiegend beobachtende Dreharbeiten durchgeführt, da niemand wusste, wohin sich der Film über vier junge Künstler an einer Akademie ohne inhaltliche Vorgaben zum Stipendium entwickeln würde. Über viele Wochen hinweg waren die Abläufe an der Akademie Solitude stark geprägt durch das gegenseitige Kennenlernen der Stipendiaten. Das Schlossleben hatte eher den Charakter des "Schlosses der Ablenkung" als den des "Schlosses der Einsamkeit", wie die Protagonistin Lan Tuazon auch im Film einer Freundin über Skype treffend berichtet.

Mit dem Beginn des Jahres 2010 änderte sich die Stimmung schlagartig. In den Gängen des Schlosses und in der Cafeteria herrschte Stille. Stattdessen ging es sehr intensiv in die Projektarbeit. Im Februar führten Hamed Taheri und Elisa Rössler an drei sehr beeindruckenden Theaterabenden eine Neuinszenierung ihres Solotheaterstückes "Femina Balba" auf. Kurz darauf organisierte Demian Bern mit seinem Stuttgarter Off-Space-Projekt "Interventionsraum" eine großartige Aufführung der Performance "Kinski und ich" von Bernhard Dechant.

Die Normalität des Lebens wurde im März 2010 jäh durchbrochen durch den plötzlichen und unerwarteten Tod des Deutschlehrers Peter Luik, der lange Zeit an der Akademie unterrichtet hatte. Im fertigen Film wurde ihm mit einer kurzen Szene ein Denkmal gesetzt.

Im Mai 2010 nahm die Amerikanerin Lan Tuazon gleich an zwei großen Ausstellungen teil: Im Rahmen der Gruppenausstellung "Design of the in/human" zeigte sie im Württembergischen Kunstverein ihre Installation "Architektur der Verteidigung". Zur gleichen Zeit übernahm Katharina Bühler das Projekt an der Kamera, da Daniel Möller die Langzeitbeobachtung auf Grund eines Spielfilmdrehs nicht länger fortsetzen konnte. Mit Katharina Bühler wurden die Dreharbeiten in Rumänien fortgesetzt, wo Lan Tuazon im Rahmen der "Bukarest Biennale 4" an einer internationalen Großausstellung teilnahm.
Dann nur zu zweit unternahmen Marcel Wehn und sein Tonmann Moritz von Roth Ende Mai eine Reise mit Martin Page zu dessen Heimatort in einem tristen Vorort von Paris. Vor der Kamera erzählte Martin sehr offen von der traurigen Geschichte des tragischen Todes seines Vaters. Aktuell schreibt er an seinem ersten autobiographischen Roman, in dem er die Hintergründe und Ereignisse, die mit dem Tod seines Vaters in Verbindung stehen, thematisiert.

Im Juni und Juli begann die Zeit des Abschieds. Nach und nach verließen die meisten Stipendiaten Schloss Solitude und eine gewisse Melancholie herrschte auf dem Schloss vor. Auch die Dreharbeiten mit Demian Bern, Lan Tuazon und Hamed Taheri fanden ihren Abschluss. Zuletzt begleiteten wir nur noch Martin Page, der als letztes Mitglied unserer Protagonistenfamilie Solitude im September verließ, um nach Paris zurückzukehren.


Schnitt und Postproduktion

Parallel hatten schon im Mai die Vorbereitungen zum Schnitt des Films angefangen. Der Berliner Schnittmeister Alexander Murygin begann mit der Sichtung von zirka 120 Stunden Material, das innerhalb eines Jahres entstanden war. Ab September wurde eine sehr intensive Schnittphase in einem Kreuzberger Hinterhofstudio bei Unmengen von Milchkaffee und Keksen fortgesetzt. In den letzen Wochen stießen der Freiburger Cutter Simon Wedel und der Stuttgarter Trainee Francesco de Tulio zum Team dazu. Gemeinsam entwickelte man eine dramaturgische Struktur, die das Leben und das künstlerische Arbeiten der vier Protagonisten übersichtlich erzählt.

Die Postproduktion fand im Hause der Filmakademie Ludwigsburg statt. Drei Wochen lang erarbeitete der Toningenieur Peter Rösner sorgfältig an der Tonmischung, die die Stimmung und Atmosphäre des Films noch verfeinerte. Daniel Möller erstellte mit dem Colorgrader Johannes Peter die Farbkorrektur und Simon Wedel war für die Titel und den Abspann zuständig.


Premiere in Ludwigsburg im Dezember 2010

Der Dokumentarfilm "Solitude" feierte seine Premiere vor Stipendiaten, Mitarbeitern und Freunden der Akademie Schloss Solitude am 3. Dezember 2010 im Kino Caligari in Ludwigsburg. Neben Demian Bern und Hamed Taheri aus Stuttgart waren auch Martin Page aus Paris und Lan Tuazon aus New York angereist, um den Film in seiner finalen Fassung von 98 Minuten zu sehen.
Die Fernsehfassung von "Solitude" wird unter dem Titel "Station Solitude" in einer um zehn Minuten gekürzten Fassung auf 3SAT und dem SWR ausgestrahlt.